Sansibar – Kirchen, Moscheen und koloniale Geschichte

Unterwegs in Sansibar: über interreligiösen Dialog zwischen Christen und Muslimen, die Geschichte des Sklavenhandels und deutsche Spuren auf der Insel, mit Impulsen für transkulturelles Coaching in Kirche und Gesellschaft.
Zwei Frauen stehen vor einer Holztür

Neulich war ich auf Sansibar. Ja, genau, diese Trauminsel vor der Küste Tansanias, die viele eher mit weißen Stränden, Gewürzen und Urlaub verbinden. Für mich war es allerdings kein Strandurlaub, sondern eine Reise mit einem besonderen Schwerpunkt: Im Rahmen meiner Dienstreise wollte ich den interreligiösen Dialog zwischen Christen und Muslimen kennenlernen und zugleich einen Ort besuchen, an dem die Geschichte des Sklavenhandels bis heute spürbar ist.

Geschichte des Sklavenhandels in Sansibar

Sansibar ist auch ein Ort, der eine dunkle Geschichte trägt. Im 19. Jahrhundert war die Insel ein Zentrum des ostafrikanischen Sklavenhandels. Besonders bewegend war für mich der Besuch des ehemaligen Sklavenmarktes in Stone Town. Neben der mächtigen anglikanischen Kathedrale von Sansibar-Stadt, die kurz nach der offiziellen Abschaffung des Sklavenhandels 1873 auf dem alten Marktplatz gebaut wurde, liegen noch die dunklen stickigen Keller, in denen Menschen vor ihrer Verschiffung nach Übersee zusammengepfercht wurden. Ich stand in diesen niedrigen Räumen und plötzlich war Geschichte nicht mehr abstrakt, sondern ganz nah. Empfehlenswert ist der Besuch des Museums am Eingang des Geländes. Eine Ausstellung klärt eindrucksvoll über alle Aspekte des Sklavenhandels auf.

Deutsche Kolonialgeschichte in Sansibar

Weniger bekannt ist vielleicht, dass Sansibar auch mit Deutschland verbunden ist. Ende des 19. Jahrhunderts war die Insel in koloniale Machtspiele verwickelt: Deutschland und Großbritannien teilten ihre Interessensphären in Ostafrika auf und so kam Sansibar 1890 im Rahmen des Sansibar-Helgoland-Vertrags unter britisches Protektorat, während das benachbarte „Deutsch-Ostafrika“ (heute Tansania ohne Sansibar) unter deutscher Herrschaft stand. Diese kolonialen Strukturen prägen das Verhältnis zwischen Afrika und Europa bis heute, auch in den Kirchen, die oftmals von deutschen Missionaren gegründet wurden.

Interreligiöser Dialog zwischen Christen und Muslimen

Sansibar ist stark muslimisch geprägt, rund 95 % der Bevölkerung sind Muslime. Und doch gibt es hier eine kleine, lebendige christliche Gemeinschaft. Spannend fand ich, wie selbstverständlich Christen und Muslime miteinander im Gespräch sind. Der interreligiöse Dialog wird hier nicht als „Extra“ verstanden, sondern ist Teil des Alltags. Gerade in Zeiten, in denen Religion weltweit oft als trennend wahrgenommen wird, war das für mich ein eindrückliches Signal: Begegnung gelingt, wenn man bereit ist, sich gegenseitig zuzuhören.

In diesem Zusammenhang besuchte ich zwei konkrete interreligiöse Projekte: das Ausbildungsprojekt UPENDO („Liebe“ in Kiswahili), wo muslimische und christliche Frauen zu Näherinnen ausgebildet werden, und das Zanzibar Interfaith Centre, das sich der religionsübergreifenden Verständigung verschrieben hat. Auffällig ist, dass diese Projekte von der christlichen Minderheit ins Leben gerufen wurden und bis heute vorangetrieben werden.

Sansibar – ein kultureller Schmelztiegel

Im Laufe der Geschichte kamen viele unterschiedliche Menschen aus verschiedenen Regionen der Welt und mit unterschiedlichem Interesse auf die Insel im indischen Ozean. Afrikanische, arabische, persische und indische Einflüsse prägen bis heute die Menschen und Kultur auf Sansibar. Besonders in Stone Town sind diese Spuren sichtbar, etwa an den typischen, kunstvoll geschnitzten Holztüren, die Auskunft über die Herkunft der ehemaligen Bauherren geben.

Lernen zwischen den Kulturen

Für mich war der Besuch in Sansibar mehr als eine Reise in die Vergangenheit. Er war ein Lernmoment für die Gegenwart. Denn ob interreligiöser Dialog oder Aufarbeitung kolonialer Spuren, beides zeigt: Gleichberechtigung entsteht nur, wenn wir bereit sind, Machtverhältnisse kritisch zu hinterfragen und uns gegenseitig wirklich zuzuhören. Das ist auch mein Anliegen im transkulturellen Coaching für Kirchen: Brücken bauen, alte Muster aufbrechen und gemeinsam Neues gestalten.

Natürlich gehört zu solchen Reisen auch der Blick auf die kleinen Alltagsmomente. Ob das Feilschen im Souk oder das Gespräch mit dem Nachbarn im Bus oder auf der Fähre – oft steckt in solchen Begegnungen das eigentliche transkulturelle Lernen. Solche persönlichen Anekdoten teile ich in meiner Rubrik „Nähkästchen“, wie etwa in meinem Beitrag über den Iced Cappuccino am Fuße des Vulkans.

Fazit

Sansibar hat mir gezeigt: Geschichte, kulturelle Vielfalt und persönliche Begegnungen – wer sich darauf einlässt, entdeckt neue Facetten des Zusammenlebens und nimmt Inspiration mit für die eigene Kirche und das eigene Leben. So wie in Sansibar braucht es auch bei uns Räume, in denen Gleichgesinnte aus unterschiedlichen Kulturen miteinander ins Gespräch kommen und gleichberechtigt zusammenarbeiten. Mehr dazu habe ich in dem Blog-Beitrag transkulturelles Lernen in der Kirche geschrieben.

Wenn dich interessiert, wie transkulturelles Coaching in deiner Gemeinde oder Organisation neue Perspektiven eröffnen kann, nimm gerne Kontakt mit mir auf.

Es grüßt Euch herzlich

Martina

P.S.: Das Foto zeigt übrigens meine Kollegin Leah und mich vor einer der imposanten Holztüren in Stone Town, Sansibar.

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