Gründe für Konflikte sind stets unterschiedlich. Nachstehend einige Konfliktursachen, die innerhalb der internationalen kirchlichen Zusammenarbeit oder in der Kirche der Vielfalt kulturell bedingt sein können, aber nicht müssen.
Mögliche Konfliktursachen in der interkulturellen kirchlichen Zusammenarbeit
Die Kirchen im Globalen Süden und in Deutschland unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht voneinander. Nennen möchte ich hier nur einige Schlagwörter wie Finanzierung, gesellschaftliche Relevanz, Tradition, Mitgliederentwicklung, theologische Ausbildung usw. Aus diesen kulturellen Unterschieden heraus können Konflikte entstehen, die beispielsweise die kirchliche Partnerschaftsarbeit belasten. Nachstehend einige Konfliktursachen, die kirchlich-kulturell bedingt sein können:
- Unterschiedliche Frömmigkeiten
- Unterschiedliche Bedeutung von Religion und Kirche im täglichen Leben.
- Unterschiedliche Bedeutung der Kirche innerhalb der Gesellschaft, vor allem dann, wenn die Kirchen in den Herkunftsländern die einzige verlässliche Infrastruktur des Landes bieten. In vielen wirtschaftlich ärmeren Gegenden dieser Welt gibt es nicht die umfassende staatliche Vorsorge wie in Deutschland. Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Universitäten sowie Selbst- und Nothilfe werden von den Kirchen und ihren Gemeinden sichergestellt.
- Unterschiedliche theologische Auffassungen, die Geisterglaube miteinschließen und/oder die Akzeptanz von Homosexualität ausschließen.
- Unterschiedliche Liturgien, die vielfach auch mit einer anderen Lebendigkeit und mit größerer Beteiligung der Gottesdienstbesucher zelebriert werden.
- Unterschiedliche theologische Ausbildungen mit verschiedenen theologischen Schwerpunkten.
- Unterschiedliche Kommunikationsgewohnheiten. Hierzu gibt’s einen separaten Blog-Beitrag.
- Eine eurozentrische Sichtweise beispielsweise mit Blick auf die theologische Qualifikation und sonstige als wichtig erachteten Aspekte des kirchlichen Lebens.
Hofstedes Kulturdimensionen zementieren Vorurteile
Und hier noch ein Wort zu dem niederländischen Kulturwissenschaftler und Sozialpsychologen Geert Hofstede und seinen berühmten Kulturdimensionen, die Machtdistanz, Individualismus, Maskulinität, Unsicherheitsvermeidung umfassen. Diese pauschale Kategorisierung lässt meiner Meinung nach außer Acht, dass interkulturelle Sichtweisen immer auch einen individuellen Einfluss zu berücksichtigen haben. Denn manchmal ist es nicht einfach, zwischen kultureller und individueller Eigenart zu unterscheiden.
Sicherlich sind die Beobachtungen von Hofstede in manchen Fällen zutreffend. Ich bin jedoch der Meinung, dass ihnen keine allzu große Bedeutung zugemessen werden sollte, denn derartige Raster und Kategorisierungen zementieren vor allem Stereotype und Vorurteile, die den unvoreingenommenen Blick auf den Nachbarn oder die Nachbarin aus Afrika oder Asien verstellen.
Die pauschale Zuschreibung von Eigenschaften wie Pünktlichkeit, Durchsetzungsvermögen oder Autoritätsgläubigkeit ist – soweit ich aus meiner 22-jährigen Erfahrung mit Kolleginnen und Kollegen aus Afrika, Asien und Deutschland erlebt habe – in den meisten Fällen eine Fehleinschätzung. Man sollte allen Menschen zugestehen, dass sie individuelle Eigenarten haben und vielleicht durch Einflüsse geprägt wurden, von denen wir nichts wissen. Von dem übermäßigen Gebrauch von Kulturschemata rate ich deshalb ab.
Machtgefälle zwischen Gebern und Empfängern
Das Machtgefälle zwischen Gebenden und Nehmenden, zumeist zwischen dem reichen globalen Norden und dem wirtschaftlich ärmeren globalen Süden, ist sowohl im kirchlichen als auch im NGO-Kontext zu finden. Das sogenannte Helfersyndrom macht, obwohl oftmals gut gemeint, Menschen aus dem globalen Süden aber in erster Linie zu Almosenempfängern, zu vermeintlich schwachen Menschen, drängt sie in die passive Rolle.
Es entstehen Überlegenheits-Denkmuster auf der Geber- und Unterwerfungs-Denkmuster auf Nehmerseite. Und diese Denkmuster prägen viele Menschen.
Dies geht sogar so weit, dass die Spenden, die afrikanische und asiatische Kirchen für die Opfer der Überschwemmungskatastrophe in Deutschland im Juni 2021 gesammelt hatten, bei deutschen Spendern Entrüstung hervorriefen. Der Vorwurf lautete: „Wir können den Afrikanern doch nicht ihr Geld wegnehmen!“ Meine Antwort darauf lautete: „Die Spenderinnen und Spender aus Afrika und Asien entscheiden selbst über ihre Mittel. Und wenn sie es den Flutopfern in Deutschland spenden wollen, dann ist das ein Akt der geschwisterlichen Liebe. Viele von ihnen waren höchstwahrscheinlich selbst einmal Opfer einer großen Katastrophe und sie kennen diese Situation. Wir sollten ihre Spenden also dankbar annehmen.“
Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt welche Musik gespielt wird
Mit der institutionellen Unterstützung sind außerdem vielfach auch Regeln und Auflagen auf Geberseite verbunden, die die Empfängerseite zu beachten hat. Hierzu gehören unter anderem das korrekte Ausfüllen der Förderanträge, die spätere Überprüfung der korrekten Mittelverwendung und die abschließende Evaluierung und Überprüfung, ob die beabsichtigten Zwecke und Ziele tatsächlich erreicht wurden.
Dieses Prozedere muss meistens zwingend eingehalten werden, bevor weitere Fördergelder beantragt werden dürfen. Derartige Verfahren zementieren patriarchalische Denkmuster auf Seiten der Gebenden. Sie untermauern die Überheblichkeit gegenüber den angeblich schwächeren Partnern, die in erster Linie als Bittsteller wahrgenommen werden und deren Verhaltensweisen aus deutscher Perspektive be- und oftmals auch verurteilt werden.
Derartige Prozedere der Mittelvergabe haben für mich einen postkolonialen Charakter nach dem Motto „Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt welche Musik gespielt wird“. Wer hier von „Augenhöhe“ spricht, ist zynisch. Die aus diesem ungleichen Verhältnis entstehenden Konflikte sind weniger kulturell bedingt, sondern basieren vielmehr auf dem Ausnutzen einer finanziellen Machtposition. Ein derartiges Verhalten ist in allen Kulturen zu finden.
Perspektivwechsel!
Wann seid Ihr einmal in einer Position des Schwächeren gewesen? Wie hat sich das angefühlt? Könnt Ihr Euch vorstellen, Finanzmittel aus dem globalen Süden zu empfangen? Wie könnten derartige Beziehungen gerechter gestaltet werden, damit sich auch die Empfängerseite würdevoll fühlen kann?
Konflikte in der multikulturellen kirchlichen Zusammenarbeit können in einem Coaching- oder Mediationsprozess behutsam behandelt und aufgelöst werden. Schreibt mir, wenn Ihr mehr darüber erfahren wollt!
Mit lieben Grüßen
Eure
Martina Pauly